Arkadiusz Muś

Wir sollten keine Wirtschaftsignoranten sein!

Das Interview wurde von Herrn Arkadiusz Mus, dem Vorstandsvorsitzenden der Press-Glas-Gruppe erteilt.

– Angeblich haben Sie Ihre ersten Berufsschritte bei der Staatsanwaltschaft gemacht…?

– Das stimmt. Von der Ausbildung her bin ich Jurist. Dann habe ich zwei Jahre in einer Staatsanwaltschaft als Anwärter dieses Berufs gearbeitet, aber zwei Monate vor den Prüfungen habe ich mich einfach „aus dem Staub gemacht“. Ich bin zum Schluss gekommen, dass die Prüfung keinen Zweck in der Lage hätte, wo ich mir meine Zukunft in keinem juristischen Bereich vorstellen konnte.

– Sind Sie durch Ihre Tätigkeit bei der Staatsanwaltschaft dieses Berufs überdrüssig geworden?

– Ich bin da gerade zu einer schwieriger Zeit der so genannten Säuberungen gekommen. Nach Jahren der s.g. Fehler und Deformationen wurden da Staatsanwälte gefeuert, die in verschiedene politische Angelegenheiten verwickelt worden waren. Dies mit Vorstellungen über einen apolitischen Charakter dieser Institution unter einen Hut zu bringen war für mich als einen jungen Anwärter dieser Kunst kaum noch möglich. Anstatt Verbrecher zu fangen hatten wir da gegeneinander zu kämpfen. Dies war aber nicht der einzige Grund mit dem Abenteuer Staatsanwaltschaft Schluss zu machen. Das Wichtigste dabei waren wohl die knappen Gehälter. Ein Bergmann verdiente zu dieser Zeit 20-25 Dollars pro Monat, wobei ich 8-10 Dollars als meine erste Auszahlung bekam. Ein Dollar war damals 9.500 Zloty wert. Mit der Zeit wurde ich zwar befördert, nicht jedoch über 15 Dollars hinaus.

– Beinahe wären Sie Staatsanwalt geworden, dann waren Sie als Kaufmann tätig… Wie sind Sie eigentlich in die Glasbranche gekommen?

– Ich hatte damals schon etwas Geld zurückgelegt. Ich wusste auch, dass der Handel, mit dem ich mich beschäftigte, doch schnell „absterben“ wird, so müsste ich mir etwas anderes für das Leben einfallen lassen. Da hab ich erfahren, man wolle die Gesellschaft Press-Glass verkaufen. Es handelte sich um ein pleite gehende Jungfirma ohne Finanzmittel. Auf Zureden der Gesellschafter dieser Firma habe ich sie abgekauft und dabei – wie es sich später herausstellte – ganz stark überzahlt. Sie war nur ein Fünftel des Betrags wert, den ich ausgelegt habe.

– Und da haben gerade Sie sich neppen lassen, indem Sie als eine Person mit ausgezeichnetem Geschäftsgefühl gelten?

– Ich war da noch sehr leichtgläubig, dann hat mich das Leben aber schnell korrigiert…

– So sind Sie vom Handel in die Produktion gewechselt…

– Na ja, und vielleicht werden Sie es nicht glauben, aber da habe ich am Montag von dieser Firma erfahren und sie bereits am Donnerstag gekauft. Der Handel als solcher hat sich bei mir immer nur schlecht verknüpft. Ich fühlte mich irgendwie nicht wohl, indem ich etwas günstig kaufte und dann teurer verkaufte. Ich habe immer von eigenem Produktionsbetrieb geträumt. Natürlich hatte ich damals keine Ahnung über Isolierglasherstellung, zumal es sich um eine damals ganz neue Technologie handelte. Es kann schon komisch vorkommen, aber beim Kauf des Betriebs wusste ich nicht, was ich da eigentlich kaufe.

– Es sind bereits 13 Jahre ab der Firmengründung vergangen. In dieser Zeit war es viel los, so bei Ihnen wie in unserer ganzen Wirtschaft. Für die Branche war das vorige Jahr wohl eine Sonderzeit, die die meisten das Jahr der Reinigung nannten…

– Oh, dann wäre es bereits das zweite Reinigungsjahr, denn als erstes galt glaube ich das Jahr 2001. Da kann ich aber nicht zustimmen. Ich denke schon, das jeder Jahr ein Reinigungsjahr ist. Mit diesem Prozess haben wir schon immer zu tun gehabt und werden noch haben, bloß spürt man dies mal stärker mal weniger. Es gibt noch viele Firmen hierzulande, die Probleme haben, und meiner Meinung sind sie dicht vor ihrem Ende. Daran ist nicht zu streiten. Polnische Unternehmen, abgesehen ob sie Fenster, Scheiben oder Klopapier produzieren, sind noch schwach. Sie verfügen kaum über Eigenkapital. Es kommt z.B. – wie neulich – eine Flaute von zwei Monaten und dann haben die Unternehmen Probleme mit den Forderungen. Haben keinen ständigen Geldzufluss, sind sie kaum noch in der Lage zu überleben. Und solche Firmen werden in naher Zukunft pleite gehen.

– Auch Ihre Abnehmer…?

– Vielmehr unsere potentielle Abnehmer. Wir bemühen uns immer mit guten Firmen zu kooperieren. Die Irrtumszeit haben wir schon hinter uns.

– Und was für Irrtümer waren es?

– 2001 haben wir uns ganz stark auf den Absatz eingestellt und dabei kaum um die Finanzen gekümmert. Wir bedienten da praktisch jeden, der mit uns kooperieren wollte, ohne den notwendigen finanziellen Nachweis durchzuführen. Es endete damit, dass wir sieben Millionen Zloty Verlust schon ein Jahr später schreiben mussten, wovon wir dann nur einen geringen Teil wiedergewinnen konnten. Durch diese Erfahrung klüger haben wir uns dann an eine Stammgruppe zuverlässiger Kunden herangearbeitet. Da haben wir aber noch einige Firmen, mit denen wir nicht nur gesellschaftlich zusammenkommen. Geschäft ist dann, wenn man erst mal produziert und verkauft hat, dann aber noch das Geld auf das Konto kommt. Und wenn man nur produziert und verkauft, dann hat das mit dem Geschäft nichts zu tun.

– Viele Firmen beurteilen diesen Jahresanfang als wirklich schwer. Und wie war dieses erste Quartal für Sie?

– Ganz normal. Ich denke es wird schon ein gutes Jahr für die ganze Branche sein. Die ordentlichen Unternehmen loben diesen Zeitraum und können ihn objektiv einschätzen, die schwachen aber werden immer klagen, dass z.B. mal der Winter zu schwer war, mal der Dollar zu hoch oder Euro zu tief lag. Die Schwachhersteller werden schon immer etwas in ihrem Umfeld finden, was für die nicht gut sei und diese in ihren Geschäften störe.

– Na eben, die Kursschwankungen, die unstabile Wirtschaft. Es sind doch keine guten Bedingungen für eine Geschäftstätigkeit?

– Bestimmt liegen uns keine idealen Bedingungen vor um ein Geschäft zu betreiben, es ist schon unbestritten, doch wir müssen darin fungieren. Sie sind zwar nicht besonders gut, aber auch nicht ausgesprochen schlecht. Wir haben jedenfalls bessere Bedingungen als es in der Ukraine oder in Weißrussland der Fall ist. Ja gut, ich spreche hier von osteuropäischen Märkten, aber ich würde dabei auch sagen, Geschäfte mache ich lieber in Polen als in Deutschland oder in Dänemark. Wir sollten im Moment nicht so sehr meckern. Alle westlichen Länder beneiden uns wegen niedriger Steuern, niedriger Produktionskosten oder niedriger Löhne. Es sind keine schlechten Bedingungen. Sollte es doch so sein, hätten die Firmen hier gar nicht investiert.

– Doch würden Sie zugeben, dass der neulich niedrige Valutakurs eine kleine Verwirrung brachte…

– Da war es doch schon mal, dass ein Euro 4,9 Zloty kostete und? Die Hauptsache bei einem Geschäft ist das Denken. Ein denkender Unternehmer muss sowohl ein gutes wie ein schlechtes Szenario voraussehen können. Zur Zeit wo der Eurokurs hoch war, musste man entsprechende Finanzmittel zurücklegen, damit man fungieren kann, wenn das Euro im Keller ist. So etwas ist schon vorauszusehen, es ist in der Wirtschaft normal. Für manche ist ein hoher und für die anderen ein niedriger Kurs günstig. Man muss sich absichern können.

– Sollte der Staat die Firmen in punkto solche Absicherung unterstützen?

– Ich bin der Meinung, sich von jeglicher Hilfe des Staates fern zu halten. Mir war die Staatshilfe gar nicht nötig und solange der Staat mir nicht helfen wird, wird meine Firma auch funktionieren. Und sollte er einmal damit anfangen, würde ich das Geschäft aufgeben.

– Na ja, aber da gibt es heute doch Firmen und zwar nicht unbedingt kleine, die pleite gehen, da sie alleine nicht zurecht kommen können…

– Geht eine Firma pleite, so ist vor allem der Vorstand bzw. Inhaber daran schuld, der nicht immer ein guter Manager ist. Käme heute jemand zu meiner Firma, der besser als ich wäre, würde ich meine Stelle für ihn räumen. Sollte je ein Angehöriger von mir bei meiner Firma eingestellt werden, dann nicht gerade deswegen, dass er mein Familienmitglied ist, sondern darum, dass er ein guter Manager sein wird.

– Stören diese veränderlichen Verhältnisse Sie als Manager nicht allzu sehr?

– Daraus mache ich nie große Probleme, obwohl es keinem Zweifel unterliegt, dass das Geschäft schon etwas Ruhe braucht. Je weniger Abänderungen bzw. Schwankungen, desto besser. Man muss jedoch dabei immer wissen, ein größeres Geschäft sollte man keinesfalls nur so von Monat zu Monat betreiben, sondern immer langfristig. Für uns ist der polnische Markt der wichtigste. Der Export ist dabei immer eine Art Absicherung. Liegt der Eurokurs hoch, dann exportieren wir gerne. Geht er nach unten, dann steigen wir eben aus, die Firma muss aber weiter bestehen. Wenn ich so die Firmen besuche, beobachte ich sie immer. Bei manchen ist schon ein Wunder, dass sie noch fungieren. Den Führungskräften fehlt an grundsätzlichen Wirtschafts- und Marketingkenntnissen, geschweige denn an Fertigkeiten in Menschenmanagement und Kostenminimierung.

– In Polen gibt es noch viele austauschfällige Fenster. Schätzungen gemäß werden die Fensterhersteller noch für 10-15 Jahre alle Hände voll zu tun haben. Was aber weiter?

– Ich hoffe, dass wir eine solche Lage, die jetzt in Deutschland ist, vermeiden werden können. Die Hersteller da haben einen ganz gravierenden Fehler begangen. Die beteiligten sich – so wie wir jetzt – massenhaft am Fensteraustausch, haben diese immer besser gefertigt und dabei immer länger befristete Garantien gewährt. Stellt jemand heutzutage ein Fenster für z.B. 400 Zl. her und gibt dafür eine Gewährleistung für 15 Jahre, dann schneidet er sich selbst den Hals durch.

– Sollten Sie ein Befürworter von schlechten Fenstern sein…?

– Nein, ich gehe nur davon aus, man muss logisch denken und dabei voraussehen, was in 10-15 Jahren los ist. Man sollte das Geschäft nicht nur kurz- sondern auch langfristig betrachten. Ich muss doch denken, was aus meiner Firma nach zehn oder mehr Jahren wird.

– Die Preise der Rohstoffe steigen an und die der Fenster gehen nach unten…

– Ja und das ist schon anormal. Ich kann mich noch erinnern, wie 1999 alle über ausgedehnte Zahlungsfristen von 120 bis zu 150 Tagen klagten. Jeder meinte, es sei ein Wahnsinn solche Fristen zu gewähren, aber wer machte es schon? Es waren wir: ich, meine Branchenkollegen… Falls also die Fensterhersteller heute mit den Preisen immer nach unten gehen, so sollten sie Groll nur auf sich selbst haben. Es ist schon unvorstellbar idiotisch, wenn jemand heute ein Fenster für 400 Zl. verkauft. Da bin ich der Meinung, man sollte ihn den polnischen Sicherheitsorganen anzeigen. Derjenige, der eine Ware ohne Gewinn produziert bzw. verkauft, verdirbt die ganze Wirtschaft, denn er zahlt kaum noch Steuern und entlohnt die Leute schlecht. Diejenigen, die ohne Gewinn verkaufen, sind für mich einfach wirtschaftliche Ignoranten.

– Werden die Glasscheibenpreise dieses Jahr noch ansteigen?

– Die Hersteller von Isolierglas entschließen sich niemals so ohne weiteres für Preiserhöhungen. Dies wurde immer von Rohmaterial-, vor allem Glaspreisen beeinflusst. Dieses Jahr sehe ich schon Preiserhöhungen vor, es wird aber am Basismaterial und ggf. am Verhalten unseres Wettbewerbs liegen. Heute herrscht eine ungesunde Lage auf Grund der Preisdrückung vor. Manche möchten eine neue Markteinteilung auf diese Weise durchführen, sie werden jedoch daran scheitern, denn die Torte ist bereits geteilt !!! Niemand wird etwas so ohne weiteres hergeben, was ihm gehört. Ein Versuch die Markteinteilung durch Preisdrücken abzuändern ist die schlimmste von möglichen Lösungen. Und falls uns jemand vorhält, wir wendeten niedrigere Preise in Westeuropa an, so ist wohl daran nicht zu zweifeln, dass es für uns günstige Bedingungen sind, bei denen wir doch noch gut verdienen. Unsere Geschäftsergebnisse waren nie ein Geheimnis.

– Gibt es in Polen noch Platz für eine neue Herstellerfirma von Glasscheiben?

– Bestimmt schon, nur müsste sich der neue Marktteilnehmer in Geduld fassen und auf eine langsame, sogar 10 Jahre oder länger andauernde Entwicklung einstellen. Zur Zeit müsste man ein ganz großes Kapital einsetzen, damit man aggressiv auf dem Markt auftreten kann, wobei der Erfolg nicht so ganz selbstverständlich ist.

– Was würden Sie ihrem Wettbewerb wünschen?

– Viel Erfolg, aber gleichzeitig möchte ich dazu auffordern, diese Branche zu zivilisieren. Macht heute eine Firma bankrott und prellt dabei andere um Millionenbeträge, so bleibt dann nur eines vernünftig, nämlich von solchen Abnehmern wegzulaufen. Und dabei passiert es leider, dass dieselben Personen, nur unter einem anderen Firmennamen die Waren von demselben Lieferanten bekommen. So etwas ist schon kriminogen. Diejenigen die neppen, gehören in den Knast und man müsste solche Leute von der Kooperation ausschließen. Man sollte mehr Verantwortung dafür übernehmen was man tut, man sollte auch sein Gesicht im Geschäft wissen zu wahren. So wünsche ich der Konkurrenz einfach Vernunft und dass sie langfristig voraussehen kann, was in Polen noch vorkommt.

– Ihre Firma ist derzeitiger Marktführer. Sollte da jemand auftauchen, der besser ist, wären Sie bereit ihm dies erhobenen Hauptes zugeben?

– Selbstverständlich. Zwei Jahre lang sind wir nicht die Größten gewesen, doch durch die gute Kundenbetreuung und eine gute Organisation sind wir heute die Marktführenden. Solle es dazu kommen, dass wir diese Position verlieren, würde das heißen, wir haben da irgendeinen Fehler begangen.Nicht der Staat, nicht die schlechten Valutakurse, ein langer oder kurzer Winter, sondern WIR. Jack Walsh, der für mich der wahre Managementmeister ist, hat einmal gesagt, sei man nicht die Nummer eins oder zwei auf dem jeweiligen Markt, sollte man das Geschäft aufgeben. Und ich halte mich daran. In Wirklichkeit ist es schon schwer ein Leader zu sein.

– Vielen Dank für das Gespräch.

Interview geführt von: Marta Klos und Renata Bialowas